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Privates Netzwerk Medizingeschädigter

Über den Tod hinaus

Die Eltern haben Geoffrey beeredigt. Ihre Arbeit für Medizingeschädigte und Behandlungsopfer setzen sie fort


Südkurier 11. Januar 2007
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Über den Tod hinaus

Claire Bernard mit ihrem Sohn Geoffrey, der kurz vor Weihnachten starb. Durch eine Kette von Behandlungsfehlern war er schwerstbehindert. Die Eltern setzen ihre Arbeit aber fort. Bilder: privat/Floetemeyer

VON SYLVIA FLOETEMEYER

Ich habe mein Kind jetzt abgenabelt und die Urne ins Grab gelegt, sagt Manfred Maier bitter. Knapp zwei Stunden zuvor haben er und seine Frau Claire Bernard an diesem Dienstag ihren achtjährigen Sohn Geoffrey auf dem Friedhof von Seefelden am Bodensee beerdigt. Geoffrey war am 28. Juni 1998 im Überlinger Krankenhaus aufgrund gravierender Behandlungsfehler schwerstbehindert auf die Welt gekommen, am 21. Dezember 2006 fanden die Eltern ihr Kind tot in seinem Bett.

Dazwischen liegt ein Martyrium, das mit Geoffreys Geburt beginnt. Der behandelnde Frauenarzt kann nicht kommen, der Wehenschreiber ist defekt, der Dienst habende Arzt verabreicht der 39-jährigen Mutter Wehenmittel statt Wehenhemmer, die Saugglocke geht beim Einsatz kaputt. Als das Sonntagskind Geoffrey endlich auf die Welt kommt, hört sein Herz auf zu schlagen. Das Baby ist schneeweiß, hat die Nabelschnur dreimal um den Hals gewickelt. Geoffrey wird wiederbelebt, bleibt aber durch den Sauerstoffmangel bei der Geburt schwerstbehindert.

Ein ganzes kurzes Leben

Geoffrey stirbt daheim, wo ihn Vater und Mutter sein ganzes kurzes Leben lang 24 Stunden am Tag liebevoll betreuten. Das hätte nicht sein müssen, wenn Maier und Bernard dem "Rat gefolgt wären, den ihnen ein Arzt des Friedrichshafener Krankenhauses wenige Wochen nach Geoffreys Geburt gab: Sie sollten sich am besten gleich von dem Kind abnabeln, gar nicht erst eine emotionale Beziehung aufkommen lassen. "Lassen Sie ihm eine Magensonde legen, geben Sie es ins Heim und dann machen Sie ein neues. So erinnert der 49-jährige Vater die Worte des Doktors.

Maier und seine Frau tun genau das Gegenteil. Sie lieben Geoffrey von ganzem Herzen und kümmerten sich aufopferungsvoll um ihn. Kurz vor Weihnachten, just zu dem Zeitpunkt, als Geoffrey stirbt, haben sie ihr Haus endlich komplett behindertengerecht umgebaut mit einem Therapieraum, einem Aufzug, einem Bewegungsbad. Geoffrey hat davon leider nichts mehr.

Doch obwohl ihr Junge tot ist, geht Maiers und Bernards Kampf für Medizingeschädigte weiter. "Das bin ich meinem Kind schuldig, sagt Maier. Zusammen mit dem Kaufmann Elmar Kordes aus Oberhof in Thüringen hat der Campinplatzbetreiber aus Seefelden das "Private Netzwerk Medizingeschädigter gegründet, das Hilfesuchenden gratis Informationen bietet. Maier und Kordes sind auch im Verein "Arbeitskreis Medizingeschädigter Bundesverband aktiv, der unter anderem einmal im Monat eine kostenlose Telefonsprechstunde mit Patientenanwälten anbietet und regelmäßig Rundbriefe und Informationen veröffentlicht.

Kordes Frau Anja starb 2000 mit 36 Jahren nach dreijährigem Leiden, weil, so Kordes, der damalige Chef der Suhler Frauenklinik gepfuscht habe. Nach ihrem Tod gründete Kordes eine Internetseite zum Thema Behandlungsfehler. So stieß Maier auf ihn. Der erste Telefonkontakt verlief eher ruppig. "Jetzt bin ich mal gespannt, ob du auch so ein Arschloch bist, das nur Geld verdienen will, meldete sich Maier bei Herrn Kordes am Telefon.

Da lagen schon fast drei Jahre hinter Maier und seiner Frau, in denen sie "barfuß durch die Hölle gegangen waren. Nicht nur litt ihr Kind Qualen und musste rund um die Uhr betreut werden, hinzu kamen Enttäuschung und Wut über Ärzte, die sich von sich aus nie entschuldigten, die Krankenkasse, die mit Leistungen hinter den Berg hielt, Pflegekräfte, die nur abkassierten.

Obwohl Maier und seine Frau acht Jahre lang keine Nacht durchschliefen, in Arbeit und manchmal auch in Depressionen versanken, vernetzten sie sich mit Kordes und anderen Betroffenen, um Medizingeschädigten zu helfen, aber auch, um künftige Behandlungsfehler zu vermeiden.

Der "Arbeitskreis Medizingeschädigter bekomme pro Jahr rund 10000 bis 12000 Anrufe, berichtet dessen Vorsitzende Monika Hauser, die das Büro des Vereins in Isny im Allgäu leitet und, ebenso wie Kordes, zu Geoffreys Begräbnis an den Bodensee gereist ist. Von all diesen Klagen über Ärztepfusch "ist bei 90 Prozent mit Sicherheit was dran, schätzt Hauser die Situation ein.

Der Verein finanziert sich ausschließlich aus den Beiträgen seiner rund 450 Mitglieder, die je 50 Euro im Jahr zahlen. "Wir arbeiten alle ehrenamtlich. Viele Mitglieder gäben allerdings auf, "nachdem sie durch die erste Instanz gefallen sind - oder nachdem sie ihren Prozess gewonnen haben. Beides findet Hauser traurig. Sie freute sich besonders, wenn den Verein weitere qualifizierte Patientenanwälte oder gar Medizingutachter unterstützten.

Maier und Kordes haben für ihr "Privates Netzwerk, das sie neben ihrer Vereinsarbeit zusätzlich betreiben, ein Zehn-Punkte-Programm erarbeitet. Darin fordern sie unter anderem eine gesetzliche Meldepflicht für Behandlungsfehler und eine Beweislast-umkehr. "Der Arzt muss seine Unschuld beweisen und nicht der Patient die Schuld des Arztes. Denn im Laufe seiner ehrenamtlichen Tätigkeit hat Kordes schon einiges erlebt, bis hin zur Fälschung ärztlicher Gutachten. Letzteres blieb übrigens für den Täter folgenlos. "Das verjährt nach fünf Jahren, berichtet er.

Missbrauch könne man aber ganz einfach verhindern, indem man Patienten, die das wünschten, ihre Krankenakte auf CD-ROM sofort mitgebe. Außerdem fordert Kordes: "Wir brauchen staatliche Gutachter und keine praktizierenden Gerichtsgutachter, die Lobbys ausgesetzt sind. Bei den meisten Behandlungsfehlern komme es nie zu Strafverfahren, weil die Beweissituation ganz anders ist als bei Zivilverfahren. So hat in Geoffreys Fall die Haftpflichtversicherung des verantwortlichen Arztes zwar 225000 Euro gezahlt. Doch Maier und Bernard wollten auch, dass der Arzt wegen fahrlässiger Körperverletzung vor Gericht gestellt wird und erstatteten aus diesem Grund Strafanzeige. Aber die Staatsanwaltschaft Konstanz schloss nach drei Jahren die gesammelten Akten, weil kein öffentliches Interesse mehr bestehe.

Gerechtigkeit?

Damit wollen sich Maier und Bernard auch nach Tod ihres Geoffrey nicht abfinden. Selbst wenn sie sogar eine "sehr engagierte Kölner Patientenanwältin warnt: "Erwarten Sie ja keine Gerechtigkeit. Als Maier seinen Besuch aus seinem gemütlichen Wohnhaus hinausbegleitet, hebt er einen Korb mit Geoffreys Sachen hoch. Er kramt ein Paar kleine Beinschienen aus starrem Plastik hervor. "Schauen Sie mal, die sollte man ihm regelmäßig anlegen. So wurde der kleine Kerl gequält. Maiers Augen schimmern inzwischen. "Mein einziger Trost ist, jetzt kann ihm keiner mehr wehtun. Dann wird seine Stimme härter: "Die hänge ich an sein Grab. Das kann ruhig jeder sehen.







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